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Am Leib eine zerbeulte Jeans und die schäbige Trainingsjacke, die ist so schön gemütlich, an den Füßen ausgetretene Sandalen, schlender ich so durch die Fußgängerzone des Städtchens, als sich eine Vision einstellt: Aus einer Nebengasse kommend und in den Burggarten einbiegend sehe ich ein Meer von Uniformen. Schwarze, mit Zylindern und blau-gelben Bändern, graue Uniformröcke mit grünen Gamsbarthüten, andere haben eine Fasanenfeder angesteckt. Grüne Jacken, schwarze Hosen, grüne Mützen mit schwarzem Schirm, Feuerwehruniformen in schlichtem blau, dunkelblaue Uniformen mit Napoleonhüten auf denen riesige weiße Puschel wehen, schwarz-weiß-rote Bänder, blau-rote Bänder, grün-weiße Bänder, rote Uniformen mit schwarzen Hüten auf denen rot-weiße Puschel prangen. Vor jeder Gruppe trägt ein Kind Schilder, bei der nächsten Formation steht „Marinekameradschaft“ drauf, danach kommt die „Frauengruppe der Schützengilde“. Dann schwarze Fräcke mit Zylinder, am Kragen leuchten Nachbildungen des Eisernen Kreuzes aus billigem Blech. Und überhaupt: Orden, groß, klein, bunt, schlicht, viele Orden auf einer Brust, selten nur einer, einige haben einen ledernen Latz umgebunden, nur für die Orden. Alle paar Meter eine kleine Kapelle, bei einer großen Trommel ist „Die kleine Dorfmusik“ zu lesen. Aus dem ganzen Umland sind sie gekommen, Steinitz, Warpke, Diesdorf, sogar aus Lüchow. Im Burggarten dann angetreten, Meldungen im Stechschritt, nicht immer ganz sauber ausgeführt, einige der Herren sind schon recht betagt. Man bedankt sich mit 150-kehligen Hochrufen bei dem einen (!) Polizisten, der den Umzug gesichert hat. Er heißt Ekkehard. Die ganze Szene wirkt wie eine Karikatur, man wartet auf einen Schwejk, der laut nach dem Herrn Oberlaijtnaant ruft. Der stellvertretende Landrat ist mitmarschiert. Als es ins Festzelt geht, in Marschordnung versteht sich, da flieht er. Für einen Sozi ist hier wirklich kein Platz. Auch ich entferne mich, benommen vom großen Zapfenstreich der Altmärkischen Schützengilden.
Im Stadtpark liegen zwei junge Männer im Gras und spielen Schach.
Im Stadtpark liegen zwei junge Männer im Gras und spielen Schach.
tristan - Freitag, 21. Mai 2004, 18:22