Tristan und das Gürteltier

Wiederholung

Das wird ein beschißnes Jahr, gelle? Gruß Franz

Franz Fühmann an Christa Wolf, 21.1.1983

Die Romantik (als Literatur- oder allgemein Kunstepoche), so scheint's, ist wirklich vorbei, die Moderne jedoch hat noch nicht mal ihren wirklichen Gipfel erreicht. Das, was sich da Postmoderne nennt, ist doch nur ein jämmerlicher, schon längst kläglich mißlungener, Fluchtversuch.

In jener Nacht bei unserem Tee, der kalt wurde, als die vielen hämischen Stimmen sich in unserem Zimmer trafen, merkten wir nur die Verdunkelung der Welt und merkten nicht, daß bloß die Bühnenscheinwerfer gelöscht waren und wir uns daran gewöhnen mußten, in das nüchterne Licht wirklicher Tage und Nächte zu sehen.
Christa Wolf, Nachdenken über Christa T.

Es gibt Sätze, für die ich sterben könnte.

Ich hab ja damals über Erich Weinert meine Diplomarbeit geschrieben.

Frau L. ist Berufsschullehrerin und sagt es nicht ohne Stolz.

Nach Mattheuer jetzt auch Tübke. Die Leipziger Schule stirbt aus.

"Aber ein Kind hätte ich nie getötet..." Du siehst dich mit einer großen Gebärde vorm Ofen stehen und einen Befehl verweigern und dich in die Flammen stürzen ... So träumen Zwölfjährige von Heldentaten ... Gewiß: Wenn dich dein Major vom Fernschreiber wegholt und dich zu einem spielenden Kind auf der Straße geführt und dir befohlen hätte, es mit dem Spaten totzuschlagen, das hättest du nicht getan, aber das hätte auch kein anderer getan, das hätte ganz sicher auch W. nicht getan, doch das geschah ja nicht so in Auschwitz, das fing ja nicht so an in Auschwitz, das fing ja auch für W. nicht so an.
Franz Fühmann, Reitersturm der SA, Wehrmachtsfunker, später Schriftsteller.
"22 Tage oder Die Hälfte des Lebens"

Die Spektrum-Reihe aus dem Verlag Volk und Welt. Auf der letzten Seite Werbung für die letzten 10 Bände und die nächste Veröffentlichung. Der Begriff Werbung trifft nicht ganz den Kern der Sache. Es steht der Titel des Bandes mit dem Namen des Autoren da. Alle 11 sind mir völlig unbekannt.
Das hat sicher Gründe. Aber welche?

Sie hatte jenen Rauschzustand erreicht, wenn man nur noch das Wesen der Dinge sieht und keine Gegenstände mehr.
B. Schitkow, „Wiktor Wawitsch“

Ein Buch, dass Schlinge um Schlinge auslegt und dich schließlich fängt. Eine wunderbare Entdeckung nach immerhin 70 Jahren.
Die Buchhändlerin missbilligt den Einband. Sehen Sie das hier? Das ist noch richtiges Leinen. Wenn Sie drüber fahren, merken Sie das gleich. Der Wawitsch hätte auch Leinen verdient.

FF, 22 Tage
Mándy lächelt sogar mit der Weste ... Ich frage Gábor, worüber Mándy noch schreibe, und Gábor sagt: "Über Fußball. Über Flittchen. Über Hungerleider. Über Melonenesser. Über Träumer. Über Arbeiter. Über Ladenmädchen. Über Kinder. Über verrückte Lokalreporter. Über Katzen -", und Mándy faßt, mit einem Fingerkreisen die Zusammenfassung zusammenfassend, zusammen: "Alles achter, alles nur achter Bezirk

Es ist leichter Iván Mándys Grab zu finden, als seine Bücher.

Ganz die gewiefte Geschäftsfrau, hat sie mir das Jahrbuch der Lyrik ans Herz gelegt, in die Hand eher, aber egal, nu steht’s hier. Die mir bekannten Namen sind mehrheitlich alte DDR-Größen. Sehr bitter, vorwurfsvoll in irgendein etwas gerichtet, bisweilen auffällig vulgäre Wortwahl. Wozu letzteres, bleibt mir schleierhaft. Erröten tut da kein Mensch mehr vor Scham, die es aussprechen wirken allerdings ein wenig peinlich. C. bemerkt noch, dass ihm dieses wir abgeht. Und es stimmt, je Osten, umso wir. Da steckt noch das Kollektiv im Kopf. Auch der Prenzlauer Berg war eins. Was ich alles ganz wertfrei bemerkt haben will.
Nun ja, besonders Heinz Czechowski lohnend, Adolf Endler auch, wohltuend ... schelmisch, locker irgendwie. Dabei trifft er tiefer, als mancher Kollege.
Ein paar Schätze, die nun aber wirklich an meinem Herzen, sind auch dabei, verrat ich aber nicht welche.