Istria revisited

Freitag, 8. Oktober 2004

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Pula, Obst und Gemüsemarkt im Schatten schlanker Kastanienbäume. Auf langen Steintischen die Auslagen in Plastikkörben. Die Früchte sind größer und von kräftigerer Farbe, als in Berlin. Viele Trockenfrüchte; Nüsse, Pistazien, Maiskörner, Bohnen. Die Paprika fast ausschließlich hellgrün. Kaum unbekanntes Gemüse.
Maybachufer.
Nur ein paar Schritte weiter, meerblau gekachelt, dunkel und kühl, die Fischmarkthalle. Fische in den typischen Styroporkisten mit Eis. Ich bin ganz und gar auf die dürftige deutschsprachige Beschriftung angewiesen. Und sowas kommt von der Ostsee...
Ringelbrasen, Makrelen (gut, die hab ich selber erkannt), Zahnbrassen, Sonnenfische, Garnelen, Skampi, Shrimps, Miesmuscheln, Kalamaris, Seeteufel, Seebarsch und immer so weiter. Die Ware ist noch keine drei Stunden tot. Milena sucht den Fisch aus, wir gehen wieder hinaus in den warmen Schatten, weiter schauen, handeln, suchen, anfassen, probieren und kehren nach einer Weile zurück zum Fischstand, die ausgenommenen Seebrassen abzuholen.
M. schlägt vor, in die James-Joyce-Kneipe zu gehen.
Die was?
Oh, Gedächtnis! Erinnerung, vor wenigen Wochen erst die biographischen Eckdaten gelesen zu haben. Als ihm die Schweiz zu teuer wurde, hat sich James Joyce als Sprachlehrer in Istrien durchgeschlagen. Wie man diese Information so völlig verdrängen kann. Die Kneipe im Schatten des römischen Stadttores heißt Uliks, kroatisch für Ulysses. An der Wand eine Tafel „Irski Pisac“, davor sitzt er seit Jahren in Bronze, Hut und Stock, die Nase hochmütig gen Himmel gestreckt und läßt sich geduldig mit Touristen fotografieren.

Montag, 27. September 2004

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Die Ebene ist nicht wirklich flach, immer wieder von Hügelketten durchzogen. Auf einer Kuppe etwas abseits der Straße eine Burg, ganz weiß, mit verwaschen roten Ziegeldächern und dicken runden Türmen. Es heißt, die größte Psychatrie des Landes sei darin untergebracht.
Seltener als in Österreich, ungepflegter auch, aber doch unübersehbar, die kleinen Kapellen und Kreuze am Straßenrand.
Wenn Menschen wesentlich durch die Landschaft ihrer Kindheit geprägt werden, stellt man sich unweigerlich vor, dass hier Generationen von Sanftmütigen aufgezogen wurden. Kein harter Fels verstellt den Blick, keine ewige Weite langweilt ihn. Guter Standort für eine Psychatrie.
Waldorf-Landschaft.

Mittwoch, 8. September 2004

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Antiquariat. Da wollen wir hin. Nach Pula.
Gute Idee. Anderswo findet sich ja doch hin und wieder billig ein deutschsprachiges Buch, das unsereins sich nicht erschwingen kann daheim, weil die Löffel hier natürlich wissen, was sie da haben und es entsprechend teuer feil bieten.
Die Vorfreude erlischt als ich den Laden sehe. Antiquariat heißt hier das Antiquitätengeschäft. Falsche Freunde überall. Und Antiquitäten gibt es hier eigentlich auch nicht. Mehr Ramsch, Schrapel, Trödel, verteilt auf zwei große Hallen, die früher vielleicht mal eine Traktorenwerkstatt beherbergt haben mögen. Ein Akkordeon find ich immerhin, Weltmeister, 86 Bässe, ich intoniere ein fröhliches Volkslied, derweil meine Gastgeber verschiedene Gebrauchthollywoodschaukeln probeschwingen.
Und dann ganz hinten in der Ecke doch eine Büchergrabbelabteilung. Hunderte Tito-Biographien in den hundertzwanzig Sprachen der früheren Jugoslawischen Föderation. Ich überlege schon, mehrere Volksausgaben zu erwerben und so das Gesupps parallel zu pauken, da erinnere ich mich an den Hebräischlehrer, der ganz am Anfang des Kurses meinte, wir sollten bedenken, dass Sprachen unter Verwendung prophetischer und juristischer Texte zu lernen schon so seine Eigenart hat, man stelle sich vor, Deutsch als Fremdsprache mit dem Grundgesetzt und dem kommunistischen Manifest erlernen zu wollen. Recht hat er, ich lege die Wälzer zurück, schau mich noch ein wenig um, da seh ich den vertrauten frauenbewegt-lila Buchrücken, damals im Goethe-Institut in London, Erinnerungen werden da wach, jaja, und dann seh ich noch einen und noch einen und noch einen, insgesamt kram ich sieben der zehn Bände der Tucholsky-Gesamtausgabe aus dem Haufen. Lange Rede, nicht wahr, und ich wollte eigentlich nur fragen, ob jemand zufällig die Bände 4, 6 und 8 doppelt hat, na wahrscheinlich nicht, aber versuchen kann man's ja mal, meine Emailie steht da rechts am Rand irgendwo, nur für den Fall.

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Und dann war da noch jener Gesell, der mir vor dem Juweliergeschäft anhand der englisch-sprachigen Leuchtreklame die ethymologische Verwandtschaft der, Achtung!, Juden mit Schmuck beweisen wollte.
This is it, you know, unbelievable, right. But you see, I'm not making this up.

Freitag, 3. September 2004

Allerdings

Das Problem mit diesen Billigfliegern ("Fliegen zum Taxipreis") ist ja das geradezu mehdornsch' zu nennende Konzept von Pünktlichkeit.

Fröhlicher Fliegen

Das war lustig. Zwischen dem Faltblatt mit den Sicherheitshinweisen und dem Da-kann-man-toll-und-billig-Urlaub-machen-Magazin steckte diese unvermeidliche Tüte zur Aufbewahrung von Erbrochenem, und die Fluggesellschaft hatte in großen Lettern drauf drucken lassen: Vielen Dank für Ihre Kritik.

Dienstag, 24. August 2004

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Triest und Pola (slowenisch: Trst in Pulj [kroatisch Pula]), Heimathäfen der gefüchteten österreichischen Kriegsmarine.

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Als ich in der Abenddämmerung in den Schaukelstuhl versunken hinüber zur Insel Cres schaute, über mir sanftes Flügelschlagen,
Ah, die Vögel ziehn nach Süden.
da fiel mir auf, dass ich ja recht eigentlich schon im Süden weilte und die Vögel außerdem nach Osten zogen und strenggenommen gar keine Vögel, sondern Fledermäuse waren.

Herrgott, schön war's allemal.

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